Zu Besuch bei Jule Heck
Eine Geschichte, die nicht loslässt
Jule Heck (Foto: Petra Ihm-Fahle) |
Nachdem ich den neuen Roman "Die Blaue Stunde" von Jule Heck gelesen habe, war ich bei der Autorin in Münzenberg. Dort habe ich mich mit ihr über ihr Buch unterhalten.
Jule, mit „Die blaue Stunde“ hast du
einen Gesellschaftsroman vorgelegt. Wieso ist es diesmal kein Krimi geworden?
Ursprünglich wollte ich immer
Gesellschaftsromane schreiben. Es war eher Zufall, dass ich zum Krimischreiben
gekommen bin. Ein Freund, der krank war, lieh sich sämtliche Krimis aus meinem
Bücherregal aus. Als er alle ausgelesen hatte, sagte ich: „Ich schreibe einen
für dich.“ Nun habe ich mir den Wunsch erfüllt und den Gesellschaftsroman geschrieben.
Das liegt mir eigentlich mehr. Mittlerweile habe ich acht Krimis geschrieben,
zwei müssen es noch werden.
Hat dich der Erfolg angespornt?
Mein erstes Buch wollten damals viele
Leute lesen, weil sie mich kannten, aus der Umgebung waren und gucken wollten,
was die „Heck“ geschrieben hat. Ich wurde zu Lesungen eingeladen und sah, dass es
gut ankam. Da dachte ich, du schreibst noch einen.
Irgendwie war es ein Selbstläufer, es
wurde zur Leidenschaft, immer wieder Krimis zu schreiben. Es lag aber auch
daran, dass ich als Schöffin an mehreren Gerichten tätig war und das Umfeld
kenne. Zudem habe ich Kontakt zu Polizisten und Kommissaren, die ich immer um
Rat fragen kann.
Wie kamst du auf die Idee zu „Die blaue
Stunde“?
Bevor ich Abitur machte, gab es an meiner Schule eine Schülerin, die schwanger wurde. Sie musste ihren Freund heiraten, sonst hätte sie nicht Abitur machen dürfen. Diese Geschichte hat mich nie in Ruhe gelassen. Ich musste oft daran denken. In den 70-er Jahren war es so: Da musstest du heiraten, wenn du schwanger warst. Ich dachte, daraus könnte ich einen Roman machen. Um diese Person habe ich eine Geschichte geschrieben, die aber mit der eigentlichen Person nichts zu tun hat.
Woher beziehst du die vielen Einfälle der Handlung?
Repro: Petra Ihm-Fahle
Ich kenne viele Menschen und bin schon
immer viel herumgekommen. Auch ziehe ich es an, dass mir Menschen ihre
Lebensgeschichte erzählen. Mir ging es in diesem Buch vorrangig um die Stellung
der Frauen und wie sich ihr Leben in der Gesellschaft verändert hat. Bis 1977
musste der Ehemann noch per Unterschrift genehmigen, wenn seine Frau arbeiten
gehen wollte. Das ist noch gar nicht so lange her.
Woher kam die Idee mit den
zeitgeschichtlichen Einschüben?
Ich war schon immer an allem, was sich
in unserem Land ereignet, interessiert und deshalb habe ich viele Ereignisse in
dem Buch aufgenommen wie beispielsweise Bader-Meinhof, den Mauerfall, die
Wende, die Kanzlerin, den Terroranschlag auf das World Trade Center. Es waren
alles Begebenheiten, die in den 50 Jahren passierten, während der die Handlung des Buchs
spielt. Die habe ich dann in mein Buch aufgenommen. Ich habe viele
Rückmeldungen von Frauen in meinem Alter bekommen, die sagen, sie haben sich in
der Geschichte wiedergefunden. Auch Homosexualität war damals per Gesetz verboten,
insofern habe ich den Schwager Paul erfunden, der Männer liebt. Die
Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Liebe berührte mich schon immer.
Wie bist du bei der Arbeit am Buch
vorgegangen?
Wie bei all meinen Büchern hatte ich zunächst
einen Aufhänger. Dann habe ich die Handlung geplant und die Charaktere der
mitwirkenden Personen ausgearbeitet, wie sie zusammenhängen und sich verhalten.
Schließlich fing ich mit dem Schreiben an und hielt mich dabei an den roten
Faden des Konzepts. Während der Arbeit fließen auch Begebenheiten aus dem
täglichen Leben ein.
Jule Heck mit Dackeldame Schreddi (Foto: Petra Ihm-Fahle) |
Wieso hast du die Handlung nicht in die
Wetterau verlegt?
Krimis in der Wetterau und dann auch noch
einen Familienroman in der Wetterau – das finde ich nicht gut. Ich wollte auch
nicht, dass jemand denkt, das Buch hätte etwas mit mir und meiner Familie zu
tun. Denn das hat es nicht.
Inwieweit kennst du die Schauplätze des
Romans?
Die Flensburger Förde kenne ich und war
bereits ein paar Mal dort. Den Chiemgau kannte ich bis zum Beginn des
Schreibens nur aus dem Internet, wo ich mich schlau gemacht habe. Durch Zufall traf
ich eine Bekannte, die mich nach meinem neuen Krimi fragte. Ich erzählte ihr von
meinem Gesellschaftsroman, der im Chiemgau spielt. Sie bot mir ihre
Ferienwohnung am Chiemsee an. Ich fuhr dann mit meiner Freundin dorthin und sah
mich um.
Wie vermarktest du „Die blaue Stunde“
in der Corona-Krise?
So wie die anderen Bücher auch, durch
Anzeigen, Internetplattformen und meine Homepage. Ich schreibe die
Buchhandlungen an, die mich von Anfang an unterstützt haben. Zudem habe ich einen
großen E-Mail-Verteiler von Lesern, die ich ebenfalls informiere. Was leider
fehlt, sind die Lesungen und Märkte, das waren immer meine größte Verkaufsquellen.
Mehrere Zeitungen haben über das Buch berichtet, und dann biete ich das Buch
auch in meinen Verkaufsstellen an. In Buchhandlungen, aber auch in mehreren
Geschäften. Viel geht über meine Facebook-Seite mit über 1000 Followern. Es
liefe noch besser, wenn ich Lesungen anbieten könnte. Hoffentlich klappt es beim
Frühlingsmarkt am Sonntag, 3. April in Ober-Hörgern. Corona hat mich
ausgebremst, als es gerade so richtig gut lief.
Hast du bereits etwas Neues in Arbeit?
Ich plane einen Krimi über Cybercrime, zunächst schreibe ich aber einen Thriller, der nicht auf meiner Idee basiert. Die Geschichte hat sich eine Freundin ausgedacht. Sie fragte mich: „Hast du Interesse, die zu schreiben?“ Wir haben uns getroffen und den größten Teil werde ich übernehmen, einige Dinge aber verändern. Die Handlung spielt im Vogelsberg und heißt „Uffm Dorf“. Im März fahre ich an die Nordsee. Dort beginne ich die meisten meiner Krimis und möchte auch diesmal dort anfangen. Danach fahre ich mit meinem Mann an die Naab, er angelt und ich schreibe. Wenn ich mal dran bin, fließt es aus mir heraus. Aber erst muss der Knoten platzen – und so weit ist es noch nicht.
Mit Dackeldame Schreddi (Foto: Petra Ihm-Fahle) |
Jule Heck, Die blaue Stunde“, edition
Winterwork, Borsdorf 2021, 396 Seiten, ISBN 978-3960148456, € 12,90
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